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Wo sind denn die Vertorbenen?

Sylvie Queval

Übersetzung Jean Gaspar

  Unsere Erfahrungen nähren unsere Überzeugungen, unsere Gewissheiten beruhen auf Ansichten die   sich nicht nur auf die Vernunft allein begründen. Das Problem, das hier aufgegriffen wird, kann offensichtlich nur Gegenstand einer Überzeugung sein. Ohne ihren Liberalismus zu leugnen, erklärt Sylvie Queval hier, wie die Erfahrung ihre Gewissheit beeinflusst hat.

Manchen wird diese Frage kindisch scheinen und ich selbst hätte sie vor drei Jahren als Blödsinn abgetan. Ich hätte gesagt, dass die Verstorbenen „nirgends“ sind, ich hätte gesagt, dass unser Andenken allein sie in der Erinnerung bewahrt.

   Ich hatte die Reden über das Jenseits entmythologisiert . Ärgerte mich über die Gebräuche und Riten von dem , das man nicht einen „ Totenkult“ nennen will, das ihm aber so ähnlich ist, Totenmessen, Blumengebinde auf den Gräbern. Ich lehnte jede Frage nach dem Jenseits ab.

   Bis dahin, hate ich es nur mit „annehmbaren“ Toten zu tun; ich setze das Wort zwischen Anführungszeichen, denn kein Tod ist annehmbar.  Obwohl, der Tod von greisen Grosseltern, die ein ausgefülltes Leben hinter sich haben, scheint dem Lauf der Dinge zu entsprechen. Man empfindet Kummer, man möchte sie noch um sich haben, denkt, dass man ihnen nicht genug Liebe bewiesen hat … aber der Tod kommt zu seiner Zeit, entspricht dem Lauf der Dinge.

   Ganz anders ist der Tod einesKindes. Solch ein Tod verwirrt den Zeitbegriff. Die Logik der Dominosteine, die sagt ,dass jede Generation abgelöst wird, kommt ins Wanken. Die Zukunft wird Vergangenheit. Das Kind, das  ( der allgemeinen Logik nach) die Fortsetzung  vom eigenen Ich war, das ihr Andenken an die folgenden Generationen  weitergeben  sollte, tritt in ihr Gedächtnis ein. Unsinn! Man könnte verrückt werden.

   Die Psychologen haben den Prozess derTrauer weitgehend erforscht, von der ursprünglichen Verblüffung  bis zum Wiederaufbau.  Obwohl, es ist eine Sache, diesen Weg zu kennen und es ist eine andere Sache, ihn zu eleben. Ich möchte hier  einem Punkt Bedeutug zumessen,

  Es ist so unfassbar, sich  das Verschwinden eines Kindes vorzustellen, dass, in einer ersten Phase, die Anwesenheit des Verstorbenen übergegenwärtig ist. In den ersten Wochen der Abwesesenheit meine Tochter habe ich den Glauben an Gespenster begriffen. Wie jeder aufgeklärte Europäer hatte ich den Gedanken, dass Tote wieder erscheinen könnten, auf den Rang von archaischen Sagen herabgestuft. Wiederkämen als Gespenster. Welch eine Verwirrung, eine Gegenwart an meiner Seite zu spüren ! Sie war da, bei Tag und bei Nacht, allgegenwärtig. Meine Vernunft sagte mir, es wäre mein Wunsch nach iher Gegenwart, der mein ganzes Denken beherrschte, aber meine Erfahrung war, dass sie nahezu physisch anwesend war. Ich empfand einen gewissen Trost bei dieser theoretischen Gegenwart,  ich fand Gefallen daran und tat nichts gegen diese Illusion.

  Andererseits hatte ich bis dahin eine totale Gleichgültigkeit für Friedhöfe gezeigt, wiederholte öfters, „lasst die Toten die Toten begraben“ , Lukas 9,60. Und jetzt versorge ich die Facebookseite meiner Tochter. Facebookseite auf der viele ihrer Freunde und Freundinnen eine freundschaftliche Botschaft hinterlassen. Danach habe ich noch nicht den Mut,   diese Seite zu schliessen und  komme noch, nicht um Blumen zu hinterlegen, sondern Worte, freue mich, Zeugnisse eine treuen Freundschaft zu lesen. Ich, die nie „ein Grab pflegen „ wollte, wie meine Grossmutter sagte, versorge nun eine Facebookseite.

   Diese zwei Erfahrungen  haben meinen Rationalismus zutiefst erschüttert.  Sie haben meine Überzeugung nicht geändert, dass der Tod endgültig ist und dass die Auferstehung hier und jetzt zu leben ist. Sie haben mir nur geholfen , gewisse Verhaltensweisen zu verstehen,  die mir bis dahin rätselhaft schienen. Die Trauer war und bleibt für mich eine Schule  der Toleranz und ich würde sogar sagen, dass mir heute jedes Benehmen, so  irrational es auch sei, nicht unverständlich bleibt, wenn es darum geht, ein liebes Wesen das gestorben ist, geistig am Leben zu erhalten.. Über diesen Punkt möchte ich mich aüssern.

   Eine Art von Überleben.

   Viel zu oft handelt es sich um eine grundsätzliche Opposition: entweder glauben sie an ein Überleben der Seele und müssen diese Seele ins Jenseits begleiten mit Gebeten und  Opfern (materiellen oder geistigen), oder sie denken, dass der Tod eben Tod ist, dass das Leben sich hier und jetzt abspielt.

   Meine Erfahrung lehrt mich zu nuancieren. . Man kann sehr gut annehmen,dass das ganze Leben mit dem Tod zu Ende ist und, durch gewisse Bräuche eine Art von Überleben ermöglichen.

    Ich gebe es zu, ich unterhalte ein Zwiegespräch mit meiner Tochter die nicht mehr ist. Sie war und ist nicht mehr, ich gebrauche das Zeitwort „sein“ in seinem vollsten Sinn.

   Wird sie wieder sein? . Davon habe ich nicht die geringste Ahnung und es ist nicht meine Sorge, da ich nichts in dieser Frage tun kann. Mit Paul Ricoeur möchte ich sagen, „nach meinem Tod soll Gott mit mir machen, was er will, ich verlange nichts, ich verlange kein „danach“.. Ich übergebe es den anderen, meinen Überlebenden ,  den Wunsch zu „sein“ , das Bemühen zu „existieren“ in der Zeit der Lebenden, fortzusetzen  „ (Kritik und Überzeugung, 1995). Ja, ich glaube „das einzige Überleben ist das Leben der Überlebenden“ und wir, Überlebende, haben eine Pflicht gegenüber den Toten, eine Pflichtdes Dialogs. Sicher ist mein Dialog, post mortem, mit meiner Tochter voller Rührung, aber ist er so verschieden von dem Zwiegespräch das ich mit Plato, Montaigne, Pascal und einigen anderen führe? Nicht so sehr; Sophie (ihr Vorname)hat nicht den Bekanntheitsgrad dieser grossen Vorgänger, aber das ist mir unwichtig.. Unsere Leben nähren sich von früheren Leben; ohne „unsere Toten“ wären wir nichts.Also ja, lassen wir die Toten in ihrem Nicht-sein, aber nähren wir uns  an dem, das sie uns gegeben haben. Das Zwiegesräch  zwischen Toten und Lebenden hält die Verstorben am Leben,  aber – vor allem – erhält es auch uns am Leben. Denn in diesem Zwiegespräch  erstehen wir aus unserer Trauer. Sicher erstehen wir nie vollkommen, ein Bein bleibt immer etwas zurück in der Zeit, als sie, er, körperlich anwesend war. Man wird wieder geboren, denn man lernt wieder mit den anderen zu leben.

  • Wo sind denn die Verstorbenen?
    • Meine Erfahrung antwortet, dass  sie im Dialog  sind, in den Fragen die sie uns stellen in unserenTräumen (sogar Albträumen), in unseren Gedanken. Ich lasse mich nicht täuschen, der Dialog mit unseren „lieben Verstorbenen“ ist ein Monolog aber, durch  die vielen Gespräche mit ihnen hören wir sie antworten und, auf diese Weise steht unser Kummer nicht mehr im Mittelpunkt, sondern lässt ihnen Platz. „Das Überleben , das sind die Anderen“ schreibt Paul Ricoeur in den Notizen die nach seinem Tod veröffentlicht wurden (Leben bis zum Tode, 2007).
    • Auf diese Art stehen wir miteinander vom Tod auf. Der Lebende lernt wieder-zuleben; er lernt  „ohne“ zu leben,  anders zu leben. Am Anfang  dachte er, nur zu überleben und, nach und nach,durch das viele stumme Zwiegespräch wird er Bestand einer neuen Dimension des Seins. Der Tote bleibt tot, aber er existiert weiter (ohne zu sein), da erweiterhin das Leben nährt, dass er verlassen hat.
    • Man kann diese Erfahrung nennen wie man will, man kann von irrenden Seelen, von Gespenstern reden, es bleibt dabei, unsere Toten bleiben gegenwârtig und wir können nicht anders, als die Beziehung mit ihnen aufzunehmen.
    • Man kann diese Beziehung mythologisieren und ein phantastisches Jenseits erfinden von woher die Toten sprechen , übrig bleibt, dass wir , über denTod hinaus, mit den Toten reden.
    • Man kann das Wort „Auferstehung“  für   einen eschalogischen Zeitpunkt verwenden, übrig bleibt, dass es, hier und jetztfür uns möglich ist, wieder zu leben, trotz des Todes,trotz der Verzweiflung, trotz der Abwesenheit.
    • Meine Überzugung, geboren aus dem Kummer, ist, dass es nur einen Weg der Auferstehung gibt, den Weg des Dialogs zwischen Lebenden und Toten.
    • Ich widme Sophie diesen Text, sie, die war, nicht mehr ist, aber weiterhin im Geächtnis existiert.
    •                      

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À propos Gilles

a été pasteur à Amsterdam et en Région parisienne. Il s’est toujours intéressé à la présence de l’Évangile aux marges de l’Église. Il anime depuis 17 ans le site Internet Protestants dans la ville.

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